Eine handvoll Ziegen
- info821706
- 25. Feb. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. März 2022
Am 23. Februar waren unsere Ziegen irgendwie still, was meine unterbewussten Alarmglocken zum Läuten brachte und meine Schritte anstatt Richtung Frühstück in der Badewanne (ja dekadent, aber alle heiligen Zeiten einfach nur schön) in den Ziegenstall ohne Frühstück lenkte.
Da war die Überraschung groß, als mir neben den zwei bekannten Gesichtern, auch zwei viel kleinere, unbekannte entgegen blickten. Bärbel hatte heimlich, still und leise ihre Kitzlein geboren! Eines rabenschwarz, das andere sattbraun, standen etwas verloren, nur leicht angetrocknet und völlig verdattert, inmitten des Stalls. Zwischen den vielen Beinen und den Nachgeburten fand sich im Heubett auch noch eine weitere kleine Seele, die den Weg auf unsere Welt jedoch nicht lebend geschafft hat.
Ob wir es hätten retten können, wären wir nur früher zur Stelle gewesen? Das ist unerheblich. Die Natur hat es gegeben, die Natur hat es genommen und auch der Konjunktiv ändert nichts daran. Drillinge sind bei Ziegen selten und noch seltener haben alle Jungtiere eine hohe Überlebenschance. Somit freuen wir uns über die, die es geschafft haben und ehren das kleine Sternenwesen durch seine ständige Erwähnung. Nummer 1 und 2 hatten es also schon zu uns geschafft und während ich unterwegs war um Handtücher, Handy und Hirn zu sammeln, lag auch Laura in den Wehen.
Nun wissen die Eltern unter euch: Erstgebärende sind manchmal ... naja Erstgebärende halt. Ziegen sind da nicht anders. Bärbel beachtete ihre zwei Kinder nicht, was Ziegenkitze allerdings brauchen, um aktiv zu werden, aufzustehen und den Euter aufzusuchen. Da stand also eine lethargische Bärbel und daneben zwei diesem Energielevel perfekt angepasste, immer noch leicht feuchte Babys. Trockenrubbeln lies die kleinen Schwänze etwas in Aufruhr geraten, die Nasen begannen zu suchen, aber das Mäulchen blieb zu und wenn das Köpfchen doch den Euter berührte, beendete Bärbel jeden Trinkversuch mit einem ordentlichen Tritt.
Haut und Knochen lassen sich ohne Energiezufuhr jedoch nicht heizen, weshalb die Körpertemperatur der Zwerge rasch von 39°C auf deutlich weniger absank und die Lethargie einer überherrschenden Apathie wich.
Schon mal probiert eine 80 kg Ziege zu fixieren, gleichzeitig ein neugeborenes Kitz auf die Beine zu stellen, sein Mäulchen zu öffnen und mit der übrigen (?) Hand eine Zitze hineinzuschieben, während man gleichzeitig von besagter Ziege mit den Hinterbeinen getreten wird?
Nein, hier war Not an der Frau und Hilfe musste her. Gut, dass es einen erfahrenen Geburtshelfer im Ort und eine ebenso allwissende Ziegenzüchterin am Telefon gibt. Zu dritt konnten wir der Situation in den nächsten 5 Stunden soweit Herr werden, dass zumindest ein ruhiges Frühstück möglich war.
Die Kurzfassung dieser 5 Stunden
Laura hat nebenher schnell mal auch zwei Kitz auf die Welt gebracht. Beide so bunt wie sie selbst. In der Zwischenzeit ging das erste Kitz schon auf Richtung Backrohr. Ja richtig gelesen! Der Züchtertipp des Tages:
"Um ein unterkühltes Kitz wieder auf Normaltemperatur zu bekommen. Sollte das Backrohr auf 40°C erhitzt und das Kitz darin untergebracht werden. Ofentür offen halten und das Neugeborene einige Zeit darin schmoren lassen, bis die Lebensgeister ein weiteres Ausharren unmöglich machen."
Während wir immer noch mühevoll versuchten das Zweitgeborene bei Bärbel anzudocken und Laura dazu zu bewegen ihre Neuankömmlinge zu begrüßen, sah ich ein weiteres Bein erscheinen. Auch Laura hatte Drillinge!! Diesmal waren allerdings alle drei quietschfidel (für Neugeborene) und versuchten einen Euter zu finden. Laura hatte von der Tortur allerdings schon genug, dreht sich um und schloss demonstrativ die Augen (man erinnert sich in diesem Moment wieder an das Wort Erstgebärend?). 5 frierende Babys und 2 streikende Mütter - meine absolute Wunschvorstellung an frischen Wintertagen (ich hoffe man hört den Sarkasmus tropfen). Liebe Hebammen da draussen, ihr seid Helden! Meine Zicken streiken wenigstens leise ...
Am Ende des Tages hatte ich nicht viel mehr als 3 Krapfen gegessen (die kann man dank der Marmelade auch im gehen und ohne kauen in den Magen transferieren), kaum getrunken und gemessen am Muskelkater des Folgetages 10 km und mindestens 300 Kniebeugen, sowie 100 Liegestütz absolviert.
Und soll ich euch was sagen? Das wars wert!
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